Die
Juden in der Welt:
PERSIEN (IRAN)
Dr. Mark Wischnitzer,
ein Bericht aus dem Jahre 1935
DIE JUDEN IN DER WELT, ERICH REISS VERLAG
Die Geschichte der Juden in Persien beginnt unter
Cyrus, der Babylonien im Jahre 539 v. Chr. eroberte und den dort
lebenden Deportierten aus Palästina (Erez Israel) als Retter
erschien. Jesaias nannte ihn den Messias. Über die Verbreitung der
Juden im persischen Kernland zur Zeit der babylonischen Eroberung
sind wir wenig unterrichtet. Die große Masse lebte in Babylonien.
Erst im Mittelalter treten die Juden in Persien in
das Licht der Geschichte. Im 12. Jahrhundert gab es in Isfahan und
in Hamadan größere Gemeinden. Benjamin von Tudela spricht von 15.ooo
Juden in Isfahan und 5o.ooo in Hamadan. Die Vergangenheit der
jüdischen Gemeinde in Isfahan ist von Legenden umwoben. Die Juden
von Isfahan führen ihre Abstammung auf die Gefangenen zurück, die
Nebukadnezar aus Judäa verschleppt hatte.
Eine Salomolegende ist mit der Stadt Isfahan
verknüpft. Der jüdische König soll mit seinem Minister Assaf Persien
und die persische Wüste durchstreift und in einer Oase, die ihm sehr
gefiel, die Stadt Isfahan erbaut haben.
Im 7. Jahrhundert hatte Persien eine immerhin recht
zahlreiche jüdische Gemeinschaft. Um der Zwangsbekehrung durch die
Araber, die Isfahan besetzten, zu entgehen, wanderten die Juden aus;
die Synagogen wurden in Moscheen verwandelt. Jedoch erfolgte bald
danach die Neuansiedlung von Juden. Benjamin von Tudela fand ein
blühendes Gemeinwesen vor, dessen Oberhaupt bei den Juden Persiens
eine hohe Autorität genoss. Isfahan war das geistige Zentrum für die
Juden Persiens. Unter mohammedanischem Einfluss begründeten der Jude
Abu Issa al Isfahani und sein Schüler Judgan islamisierende Sekten.
Auf dem jüdischen Friedhof in Isfahan befindet sich
das Grab der jüdischen Ortsheiligen Serach, der Tochter Aschers und
Enkelin des Erzvaters Jakob. Die Sage erzählt, dass, als Jakob im
Schmerz schrie: "Ein wildes Tier hat Josef gefressen", Serach sagte:
"Nein, Vater, Josef ist nicht tot". Da blickte der Erzvater Jakob
sie an und sagte: "Wenn er lebt, sollst du nie den, Tod erfahren".
Serach lebt im Andenken der Bevölkerung, und es knüpfen sich
zahlreiche Legenden an ihren Namen. Das Grab wird von Pilgern
besucht.
Isfahan hatte seine Glanzzeit im 17. Jahrhundert, als
es die Metropole des Handels zwischen Indien und Europa war.
Die Schicksale der Juden Hamadans waren weniger
glücklich. Die jüdische Gemeinde konnte sich von den
Erschütterungen, die Tamerlans Eroberung der Stadt um die Mitte des
14. Jahrhunderts zufügte, nicht mehr erholen. Die Verfolgungen unter
Abbas I. und Abbas II. im 17. Jahrhundert versetzten den Juden von
Hamadan den letzten Stoß.
In Hamadan werden die Grabstätten von
Mordechai und
Esther verehrt. Benjamin von Tudela spricht von ihnen. Es
wird neuerdings vermutet, dass die in diesen Gräbern Bestatteten der
unter dem Mongolenherrscher Argun emporgekommene jüdisch-persische
Minister Saad Al-Daulah und eine seiner Frauen sind. Saad Al-Daulah
wurde bei einem Aufstand des Pöbels nach dem Tode Arguns (1291)
ermordet. Benjamins Zeugenschaft verbürgt demgegenüber ein höheres
Alter der Gräber.
Der Niedergang der persischen Judenheit konnte nicht
mehr aufgehalten werden. Die schiitische Geistlichkeit, die an die
Macht kam, erklärte die Juden als "Padges", d. h. im kultischen
Sinne unrein. Das Padgesgesetz untersagte den Juden den Zutritt zu
den Häusern der Muselmanen. Sie mussten in besonderen Stadtvierteln
wohnen. Zur Regenzeit durften sie sie nicht verlassen, weil nach den
schiitischen Anschauungen feuchte Kleider von Unreinen durch
Berührung rituell verunreinigen. Die Juden mussten als
Erkennungszeichen ein rotes Tuch auf der Brust tragen. Ein zum Islam
Bekehrter hatte dem persischen Erbrecht zufolge Vorrang gegenüber
den Kindern des jüdischen Erblassers, ungeachtet des
Verwandtschaftsgrades. Zu der sozialen Zurücksetzung und
wirtschaftlichen Benachteiligung kamen noch tätliche Angriffe der
von der Geistlichkeit aufgehetzten Bevölkerung hinzu. Die Lage der
Juden wurde erst um die Mitte des 19.Jahrhunderts, als Persien von
europäischen Reisenden erschlossen wurde, genauer bekannt. Die
Alliance Israélite intervenierte bei der persischen Regierung und
fand Verständnis seitens der Schahs. Die Revolution von 1920/21
beseitigte die bestehenden Schranken.
Die Juden betätigen sich in Persien im Handel und in
der Industrie. Im Handwerk waren sie seit jeher tüchtig. Der
Franzose Tavernier, der das Land im 17. Jahrhundert bereiste,
berichtet von der erstaunlichen Kunstfertigkeit der Juden in Lar;
sie stellten die besonders gesuchten erlesenen Gürtel her. Aus einer
jüdischen Quelle erfahren wir, dass es um die Mitte des 19.
Jahrhunderts unter den Juden in Persien Seidenweber, Glasschleifer,
Maurer, Schneider, Schuhmacher und Schmiede gab. Die Alliance
Israélite unterhält seit 1898 in einer Reihe von persischen Städten
Schulen, in denen die fachliche Ausbildung besonders gepflegt wird.
Eine Teppichmanufaktur in Isfahan, die von dem Direktor einer
Allianceschule gegründet wurde, beschäftigt 300 jüdische Arbeiter.
Unsere Kenntnisse über die Gemeinden im einzelnen
sind nur gering. Es gab einst Gemeinden in Koum, Schuschter, Rescht,
Kaswin und Täbris. Heute bestehen sie nicht mehr. Aus Täbris stammte
der Kommentator des Maimonides, al Täbrisi ha Parsi. Die Stadt hatte
einmal eine Rolle im jüdischen Geistesleben gespielt.
Persisch war für die persischen und babylonischen
Juden der Spätantike das, was Griechisch für die Juden der
westlichen Diaspora bedeutete: Umgangs-, Kultursprache und teilweise
auch Sprache des Kultus. Es ist bezeichnend, dass ein Lehrer der
Talmudakademie in Pumpedita, Josef (gest. 323), die aramäische
Sprache verurteilen konnte, um Hebräisch und Persisch allein gelten
zu lassen. Im jüdisch-persischen Idiom haben sich alte Formen der
persischen Sprache erhalten.
Es werden in Persien mehrere jüdisch-persische
Dialekte gesprochen. Die Juden von Schiras sprechen anders als die
von Isfahan und die von Teheran. In zwei Dörfern bei Isfahan
bezeichnen die persischen Einwohner ihre Sprache als Jüdisch.
Die Literatur in jüdisch-persischer Sprache, die sich
der hebräischen Schriftzeichen bedient, weist vor allem
Bibelübersetzungen auf. Die älteste, eine Pentateuchübersetzung,
datiert aus dem Jahre 1819, eine zweite, die um die Wende zum 16.
Jahrhundert entstanden ist, liegt in mehreren Handschriften im
Vatikan, in Paris und in Leningrad vor, eine dritte, die älteste
gedruckte Übersetzung des Jakob ben Josef Taws, ist in der
Polyglotten-Bibel (Konstantinopel 1546) enthalten. Es gibt auch
spätere Bibelübersetzungen und eine ganze Anzahl von Übersetzungen
der Apokryphenschriften. Bekannt sind auch einige Kommentare zu den
Propheten, ferner Glossare zur Bibel. Aus der talmudischen Literatur
sind die
Pirke Abot sowie einige kleinere Midraschim übersetzt
worden. Von klassischen Werken des mittelalterlichen Schrifttums
sind Übertragungen des Mischne Thora von Maimonides und der
Dichtungen des Salomo Ibn Gabirol zu erwähnen.
Unter den persisch-jüdischen Dichtern ragt Schahin
aus Schiras hervor, der von Hafis beeinflusst wurde. Aus dem 16.
Jahrhundert ist Imrani zu nennen, der in einem Epos die Geschichte
von Josua bis Salomo behandelte, aus dem 17. Jahrhundert Babai Ibn
Lutf, der die Not der Juden unter den Schahs Abbas I. und II.
schildert. Zahlreiche jüdischpersische Schriften erschienen in den
letzten Jahrzehnten in Jerusalem dank der Regsamkeit der dortigen
bucharisch-jüdischen Kolonie und in Teheran, wo nach dem Weltkriege
eine hebräische Druckerei errichtet wurde. Von den Teheraner
Druckerzeugnissen sind ein dreibändiges Werk über die Geschichte und
Religion der Juden (1920-1927), eine Geschichte des Zionismus und
zwei jüdisch-persische Zeitungen "Geula" (1920) und "Chajim", die
nur kurze Zeit bestanden, zu nennen.
Die persischen Juden besitzen ihren eigenen Ritus,
der unter den Juden vom Kaspischen Meer bis nach Kalkutta, von
Bagdad bis nach Kai-Fung-Fu Geltung hat. Die gleichen Wege wanderte
auch das persisch-jüdische Schrifttum. Elkan Adler sagt, dass man in
diesem ungeheuer großen Gebiet überall persischen Juden begegnet,
"persischen in dem Sinne, in dem man in Europa von aschkenasischen,
deutschen Juden spricht".
Im Zuge der allgemeinen Europäisierung des Landes
schließen sich die persischen Juden der modernen Kultur auf. Die
Schulen der Alliance in Bidjar, Buruschirad, Hamadan, Isfahan,
Kaschan, Kermanschah, Nehavend, Senna, Schiras, Teheran erfassen
4ooo Kinder.
Im 19. Jahrhundert gelangten europäische Juden nach
Persien, Ärzte, Kaufleute, Fabrikanten, meistens aus Rußland. Seit
1933 sind vereinzelt auch Juden aus Deutschland, Ingenieure und
Ärzte, nach Persien gegangen. Es bestehen gewisse Möglichkeiten für
freie Berufe. Unter der einheimischen Bevölkerung macht sich jedoch
eine Abwanderung nach Palästina bemerkbar.
Die Zahl der Juden in Persien wird auf 50 - 60.000
geschätzt (1930). Teheran soll 10.000 Juden zählen, größere Gruppen
weisen Isfahan, Hamadan und Schiras auf, in weiterem Abstand folgen
Kaschan und Jezd. In Meschhed leben die persisch-jüdischen Marannen,
Kryptojuden, die trotz der Verfolgungen dem Judentum treu geblieben
sind. Es besteht der Plan, sie nach Palästina zu überführen.
Auf den Bahreininseln, im Persischen Meerbusen, die
in unsern Tagen Gegenstand politischer Komplikationen sind, fand der
arabische Geograph Isstarchi im 10. Jahrhundert eine zahlreiche
Einwohnerschaft vor. Benjamin von Tudela (1170) spricht von
annähernd 5ooo Juden. Die Inseln waren von jeher für die
Perlengewinnung und den Perlenhandel von Bedeutung. Über die
weiteren Schicksale der Juden auf den Bahreininseln ist man nicht
unterrichtet.
Die Enzyklopädie zu Purim:
Das Buch
Esther
Das Buch Esther ist die fünfte der Fünf Megiloth
(Schriftrollen), die in der hebräischen Bibel in der Reihenfolge
angeordnet sind, in der sie an bestimmten Festen des religiösen
Festkalenders gelesen werden...
Die Heilige Schrift in der Welt:
Persien und
Israel
Die persische Kultur, von den Anfängen bis zum Reich
der Meder und Perser, über Kyros, Darius und das persische Weltreich
bis Artaxerxes und den Untergang des Reiches...
Das persische Kaiserreich (der Bericht Wischnitzers stammt aus
dem Jahre 1935*), das vor kurzem den Namen Iran offiziell
angenommen hat, umfasste ein Gebiet von über 1.64o.ooo qkm mit rund
15 Millionen Einwohnern. Die bedeutendsten Städte: die Hauptstadt
Teheran, Täbris, Meschhed und Isfahan (die alte Residenz).
*) Heute hat der Iran 70.000.000
Einwohner, die Hauptstadt Teheran 15.000.000. Weitere aktuelle
Informationen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Iran.
hagalil.com
20-03-2005 |